* 24. Dezember 1931
† 18. September 2008
von Wieland Reich
Essay
Anfänge in Buenos Aires:»Zwölftöner«, Dirigent, Pianist, Enzyklopädist
Liest man Kagels Begleittexte zu seinen Werken, fällt – neben dem Sprachduktus, der mit unerwarteten Wendungen, heterogenen Begriffen und Bildern sowie brillanten Pointen an den eines barocken Concettos erinnert – vor allem eines auf: Auslöser einer Komposition ist immer eine projekthafte Grundidee, entstanden aus der Faszination vom Deuten musik- und kulturgeschichtlicher Zusammenhänge, aus dem Interesse für musikalische, theatralische, aufführungspraktische, sprachliche, theologische und andere Phänomene. Dem ersten Impuls folgt eine lange Phase der Erforschung und Sammlung geeigneten Materials, das schließlich in systematisch angelegten Vorordnungen dem eigentlichen Kompositionsprozess verfügbar gemacht wird. Dieser Schaffensprozess lässt auf eine Disposition zum Autodidakten schließen, zu dem Kagel nicht erst, wie er einmal formulierte, »durch Kontakt mit ungenügenden Lehrern ausgebildet« worden war (Kagel 1975a, 7).
Kagel ist als Komponist nach heutigen Maßstäben eines Fachstudiums zwar weitgehend Autodidakt (und seine kritische Bemerkung ein Seitenhieb auf die damalige Konservatoriumsausbildung), doch hatte er hervorragende Privatlehrer, denen er die virtuose Beherrschung des Handwerks und mancherlei Anregungen verdankt (vgl. Richter-Ibáñez 2014, 99 ff. Durch Theodor (Teodoro) Fuchs, einen Schüler von Curt Sachs, lernte er dessen »Real-Lexikon der Musikinstrumente« kennen, das ihn »regelrecht aufgewühlt« hat (Kagel ...